Wasser

Wasser

„Das hier ist Wasser“ heisst ein kleines Buch von David Foster Wallace. Der Text stammt ursprünglich aus einer Rede, die er vor Absolventen eines Colleges hielt.

Er beginnt folgendermaßen:

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: »Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?« Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: »Was zum Teufel ist Wasser?«

Wallace sprach über die eigentliche Fähigkeit, die durch Bildung erreicht werden sollte. Es geht nach seiner Meinung darum, bewusst darüber zu entscheiden, ob und wie man die Welt wahrnimmt, und darum, die in jedem von uns angelegten „Standardeinstellungen“ in Frage zu stellen. Es geht darum Menschen und Dinge vorurteilsfrei wahrzunehmen.

Für uns bedeutet das möglicherweise u.a., Meinungen und Parolen, die laut und schrill verbreitet werden, erst einmal kurz zur Seite zu legen, dann genauer zu betrachten, auf ihren Gehalt zu prüfen und zu überlegen, ob wir sie unterschreiben können.

Wallace hat die Rede zwar vor einem Teil der amerikanischen Bildungselite gehalten, wohl auch um ihnen zu zeigen, dass ein Studium allein keinen schlaueren, wissenderen oder besseren Menschen aus ihnen macht.

Jedoch sind die Schlussfolgerungen, die er zieht, ziemlich allgemeingültig. Es hängt nicht vom Grad der Schulbildung ab, ob jemand frei in seiner Entscheidung ist und sich seiner eigenen Standardeinstellung im Betrachten der Welt entziehen kann.

Verschiedene Dinge, die Wallace in seiner Rede beschreibt, sind wahrscheinlich jedem von uns irgendwie klar, dennoch ist es vielleicht sinnvoll, sie noch einmal zu hören. Dazu gehört zum Beispiel dass es keine Erfahrung die wir machen gibt, in der wir uns selbst nicht im Zentrum sehen. Alles was wir sehen und hören, tun wir aus unserer subjektiven Sicht. Das ist dann unsere Wahrheit. Die gilt aber sicher nicht für jeden anderen Menschen auf der Welt.

Kommunalpolitik macht hier keine Ausnahme. Wirklich erfolgreich für eine Kommune kann man wohl nur arbeiten, wenn man in seinem Tun versucht, auch die eigenen Voreinstellungen im Denken zu hinterfragen, andere Wahrheiten zuzulassen, das Gegenargument abzuwägen und dann zu handeln. In einem Essay zum Buch von Wallace heisst es stichwortartig:

Zu oft glauben wir so stark an Dinge, dass wir (sie) gar nicht … hinterfragen können – wir sind arrogant, vertrauen blind darauf, dass wir Recht haben – (wir haben) ein limitiertes Verständnis, das uns gefangen hält, so umfassend, dass der Häftling (also wir) nicht einmal merkt, dass er sich in seinem selbst geschaffenen Gefängnis befindet. Ein grosser Teil der Dinge, die wir automatisch für richtig halten, so zeigt sich im Laufe der Zeit, sind schlicht und ergreifend nicht wahr.

Die natürliche Voreinstellung (Standardeinstellung) ist zu denken, ich bin die Mitte der Welt und bin meine unmittelbaren Bedürfnisse und Gefühle und deren Befriedigung.

Vielleicht ein Schlüssel zu guter Kommunalpolitik darüber einmal nachzudenken.

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