… mit Simone Demsky
Auf der Homepage der FeG Hohenlockstedt heisst es:
Seit 1984 gibt es uns als Freie evangelische Gemeinde Hohenlockstedt. Du findest uns in der Breiten Straße 29-31, einem alten Offiziershaus, dass wir 2019 mit einem hellen freundlichen Foyer erweitert haben. Hier wollen wir einen Ort gestalten, an dem Menschen verschiedener Generationen stark fürs Leben werden, einander begegnen und Gottes Liebe spüren können. Simone Demsky, Pastorin der FeG, gab der HiB dies Interview.
HiB: Moin Simone, wie wird man eigentlich Pastorin der FeG?
Simone: Moin. Tja, wie konnte es soweit kommen, dass ich Pastorin bin? Die Frage stelle ich mir regelmässig, weil ich selber erstaunt und dankbar dafür bin. Es war auf meiner Wunschliste nie die Nr 1, das hat sich im letzten Jahr grundlegend geändert. Ich liebe es!
Zugegeben ist es ein besonderer Beruf, oder besser eine Berufung. Du musst eine Menge Fähigkeiten mitbringen, im Kontakt mit Menschen, im Wissen um Bibel und was sie für heute zu sagen hat, vielseitige Kompetenzen von Seelsorge bis Predigt, Zusammenhänge überblicken, Menschen anleiten und mitnehmen können, Erfahrung, den Mut „nein“ sagen zu können und einen lebendigen Weg mit Jesus Christus. Das letztgenannte ist eigentlich die Kraft, aus der alles andere dann wächst.
Dann ist es wie in jedem anderen Beruf ein gegenseitiges Ja! zueinander: von der Ortsgemeinde zum Bewerber und von Pastor*in zur Gemeinde. Berufung bedeutet, dass beide Gottes Wirken auf diesem Weg erleben. In meinem Fall war es ein allmähliche Anfreunden mit der FeG Hohenlockstedt, die ich von Begegnungen als Gastpredigerin kannte und durch meinen Kollegen und Vorgänger Eberhard Müller. Dazu kam eine Sehnsucht mich mit Mitte 40 beruflich neu zu orientieren und einige Ereignisse, die ich für mich als „Wink des Himmels“ gedeutet habe. Die formale Qualifikation als Pastor oder Pastorin ist ein 5 jähriges Theologiestudium mit Masteraschluss.Es geht aber auch anders, ich bin ja eine Quereinsteigerin mit 22 Jahren Erfahrung in der Sozialpädagogik und Kinder- und Jugendhilfe.
Jetzt werde ich bei dem, was noch neu ist, begleitet und hole den noch fehlenden Abschluss berufsbegleitend nach.
HiB: Wie erlebst du Hohenlockstedt als Gemeinde über die FeG hinaus?
Simone: Wir, dh. mein Mann, unser Kater und ich, wohnen seit 2015 im Kreis Steinburg und bereuen die Entscheidung nicht. Unsere Wurzeln liegen in Südwestfalen und Nordhessen. Hier oben lebt es sich entschleunigt und trotzdem lebendig.
Ein Ort lebt ja immer von Menschen. Das Gepräge hier ist norddeutsch und offen, diese Kombination tut gut. Gerade bei den Pellkartoffeltagen vor einigen Tagen ist mir wieder die Freude und das Miteinander aufgefallen, über Generationen, verwurzelt mit Traditionen von Landfrauen, Kulturverein, neuen Ideen zur Belebung der Region. Das ist nicht selbstverständlich, da bin ich gern Teil von. Mich fasziniert die Geschichte von Hohenlockstedt, und die damit verbundenen Erlebnisse der Menschen, die ich bisher kennen lernen dufte. Da kommt soviel Erfahrung zusammen: von Einheimischen und Zugezogenen, die teils unfreiwillig unter harten Bedingungen hier eine neue Existenz aufgebaut haben. In einer Zeit in der sich vieles zu wiederholen droht, ist es ein Gewinn, um die großen Zusammenhänge zu wissen, und hoffentlich daraus zu lernen.
HiB: Es gibt hier in Holo 2 evangelische Kirchen. Wo sind die Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede?
Simone: Landeskirche und Freikirche sind zwei verschiedene Formate derselben Botschaft. Vielleicht ist es wie im Kartoffelanbau: Dort geht immer darum, dass Menschen satt werden, mit hoher Qualität zu fairen Bedingungen für alle.
Aber ob das in einer Erzeugergemeinschaft umgesetzt wird, oder als Großunternehmen und Lebensmittelverarbeiter ist eine zweite Frage. Beides hat Vor- und Nachteile, ist unterschiedlich flexibel oder verletzbar.
Man kann sich jetzt überlegen, wo ich welche Form von Kirche verorte.
Als Freie evangelische Gemeinde legen wir Wert darauf, dass Glaube eine freie Entscheidung jedes und jeder Einzelnen ist. Das heisst zum Beispiel, dass Taufe für uns ein Ja! eines mündigen Menschen voraussetzt, freiwillig ist. Das drückt sich auch darin aus, dass wir vom Kirchensteuersystem unabhängig sind. Unsere Arbeit finanziert sich allein aus freiwilligen Beiträgen. In unserer FeG steckt viel Herzblut, eine Menge ehrenamtliches Engagement, aber auch eine Gemeinschaft, die immer wieder neu eine Antwort finden muss: Warum braucht es uns am Ort? Was wollen, was können wir geben? Was ist Gottes Aufrag für uns?
HiB: Die Kirchen haben ja die gleichen Probleme wie viele Vereine und Verbände. Es fehlt an Nachwuchs. Was kann man allgemein und was können die FeG und du als Pastorin tun, um Menschen zum Mitmachen zu gewinnen?
Simone: Wichtige Frage!
Meine Beobachtung ist, dass Menschen sehr schnell merken, und zu Recht skeptisch werden, wenn unser Interesse an ihnen darin besteht, dass sie die Zukunft von Verein oder Kirche sichern.
Mir ist wichtig: Jeder hat das Recht, um seiner und ihrer selbst wahrgenommen zu werden, ohne dass wir potentiell Mitglieder in ihnen sehen, die es zu überzeugen gilt, oder Begabte, die Lücken im Ehrenamt füllen.
Was wäre statt dessen zu fragen: Wovon träumst du? Wo schlägt dein Herz? Wo bist du einzigartig? und dann als Leitende zu investieren, Netzwerke, Räume, Kontakte, Gelder, Coaching oder Begleitung in Verantwortung zu ermöglichen. So jedenfalls verstehe ich meinen Beruf.
„Generationenenwechsel“ ist ein Schlagwort, das ich lieber durch „Generationenmiteinander“ eintauschen würde. Jede Altersgruppe hat ihre Herausfordungen und Chancen. Schön ist, wenn es gelingt, dass bewährte Aktiven als Ratgeber dabei bleiben.
Klar ist aber auch: Wem Verantwortung zugetraut wird, muss auch die Freiheit haben, es auf seine Weise zu füllen. Die letzten Worte einer sterbenden Organisation sind oft: Das haben wir doch schon immer so gemacht.
Als Pastorin weiss ich: Wir haben eine großatige Botschaft von Gottes Liebe, die sich in Jesus zu Tode liebt und selbst den Tod besiegt. Daran gibts nichts zu rütteln. Aber wie wir davon reden, das hat heute eine andere Sprache, anderes Liedgut, als vor 500 oder 50 Jahren.
Und wie Glauben und Leben aussieht ist für einen 25 jährigen anders als für 65 jährige oder 85 jährige, einfach weil sich Lebensumstände so verändert haben. Das hat erst einmal gar nichts mit fehlendem Interesse oder mangelnder Verbindlichkeit zu tun, nur weil es anders ist.
HiB: Noch einmal ein anderes Thema. Wo liegen deiner Meinung nach die Schnittpunkte von Sozialdemokratie und Kirche?
Simone: Ich schätze die sozialdemokratische Grundhaltung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und das Anliegen, unheilvolle Machtstrukturen in Frage zu stellen und dafür etwas zu riskieren.
Viel davon finde ich bei Jesus, der das Menschenbild der Etablierten seiner Zeit so sehr in Frage gestellt hat, dass er in Jerusalem 33 unserer Zeitrechnung Staatsfeind Nr 1 wurde.
Spannend finde ich, dass er sowohl die Systemstrukturen um ihn herum angeprangert hat, als auch die in unseren menschlichen Herzen, wie die Bereitschaft zu Lüge, Korruption etc.
Für beides hat er einen Weg gezeigt. Als Christen kommt neben dem aktiven Aufstehen gegen Ungerechtigkeit noch die Dimension dazu, dass das Wesentliche im Leben nicht erkämpft wird, sondern geschenkt wird:
Unsere Würde als Menschen, Heilung, wo ich unter die Räder gekommen bin oder wo ich als Täter*in Verantwortung habe, Auferstehung der Toten und eine erneuerte Welt unter der gerechten Herrschaft Gottes.
Leider haben sich gerade freikirchliche Christen in der Vergangenheit oft die Tendenz gehabt, sich aus gesellschaftlichen Themen zurückzuziehen und auf ein besseres Jenseits zu vertrösten. Das macht mich nachdenklich.
Wenn christliche Religion, Gottesdienst oder Bibellesen nur Selbstberuhigung ist, läuft etwas falsch. Jesus hat seine Freunde bevollmächtigt, wir sagen neudeutsch Empowerment dazu.
Interessant ist auch: Die christliche Gemeinde hat ihre Kraft und Attraktivität besonders dann zeigen können, wenn sie in der Minderheit war, die begründen muss, warum sie das, was sie glaubt, immer noch glaubt- und mehr durch Taten verkündete als durch Predigten.
Ich ahne, dass es da Berührungspunkte zur Sozialdemokratie geben könnte.
HiB: Kannst du dir Projekte vorstellen, an denen Kirchen, politische Gemeinde und auch Vereine und Verbände am Ort gemeinsam arbeiten können?
Simone: Unbedingt. Wir können voneinander lernen! Lasst uns gemeinsam darüber nachdenken, wien jeder Akteur mit seinen Kompetenzen dazu beiträgt, das Leben in Hohenlockstedt noch lebenswerter zu machen.
Vielleicht heisst das auch, Leben erst einmal zu ermöglichen, Nöten zu begegnen und Menschen zueinander zu bringen, die sich vielleicht im normalen Alltag aneinander vorbeigehen. Ich glaube, Jesus würde das gefallen.
Als FeG Holo haben wir großartige Räume, die auch andere nutzen dürfen und: wir beten sehr gern. Wenn ihr als politisch Aktive oder ganz privat diese Ressource mal nutzen wollt,
und Anliegen habt, wo es ein Wunder braucht, oder eine Extraportion Kraft- lasst es uns wissen, dann reden wir mit Gott darüber und segnen euch! Das wäre mir eine Ehre!
HiB: Vielen Dank für dieses Interview, Simone.
Hier gibt es mehr zur FeG Hohenlockstedt.