Als der 1. Weltkrieg im Jahr 1914 ausbrach (wie ein wildes, mordlustiges, blutrünstiges Tier), wurde er von Teilen der Bevölkerung euphorisch begrüßt. Erwartungen waren an den Krieg geknüpft worden. Nationalistische Überhöhung des eigenen Volkes und Hurrapatriotismus schwappten über das Deutsche Reich, das den Feind schlagen würde, und erfasste auch Ernst Barlach. Er war schliesslich 1915 zum Landsturm, schon 45 Jahre alt, eingezogen und in Sonderburg stationiert worden. Liest man weiter, was er seiner Mutter aus der Kaserne schrieb, bleibt der Eindruck, ein Pfadfinder schriebe aufgeregt aus dem Lockstedter Pfadfinderlager.
(…) Ich hätte nie geglaubt, dass man in der unausgesetzten, Tag und Nacht durch, Gesellschaft von zusammengewürfelten Leuten so einsam sein kann.
Ich meine im guten Sinne, ungestört, unbelästigt. Ich habe mich diese Woche hindurch sehr glücklich gefühlt, gewissermaßen.
Die Kameradschaft ist eine schnurrige Sache. Man putzt, schmiert, näht, redet dazwischen oder nicht, ganz ohne Rechenschaft zu schulden über Höflichkeit oder ihr Gegenteil, es gibt keinen Zwang außer dem zum allgemeinen Besten. Wer klug ist, teilt mit andern, nicht weil er dafür geliebt wird, sondern weil es stilgerecht ist, es ist die Form des Anstands, die hier gilt, wo sonst jeder nach seinen rüpelhaften oder ordinären Gewohnheiten lebt.
Prachtvoll sind die Nächte, wenn sich die seufzenden Bedürftigen von ihrem Lager hochrecken wie Auferstehende, die tausend Jahre im Grabe gelegen haben. So schlurft es fast die ganz Nacht an den Füßen der Schlafenden vorbei wie eine Mischung von Dieben und Traumgestalten.
Dann steht man draußen unterm Sternenhimmel und hat, was man sich vorgenommen hat. Über den niedrigen langen Barackendächern häufen sich die Sterne, dass man erschrickt.
Fast den ganzen kaiserlichen Geburtstag habe ich in der Baracke zugebracht. Da drücken sich die Siebensachen, die man im Tornister mitschleppt, auf einem Regal, von dem einem ca. 75 cm zusteht, durcheinander, Brot, Butter, Wurst, Strümpfe, etwas Wäsche sonst, Stiefelputz- und Gewehrreinigungsdinge, Nähzeug, Seife, Handtuch, Zigarren, Zahnbürste na, kurz und gut, ich habe Aussicht, ein ordentlicher Soldat zu werden. Patrouillengehen im Stockfinstern wird wohl mein Talent sein, dafür habe ich eine Art Spürnase.“